Gritli Letters (Gritli Briefe) 1928

Contents

Januar 1928

10.1.28.

Lieber Eugen,

Fahne 24,13 von unten ist Auszug missverständlich (= Extrakt). Vielleicht Ausweg. Ich hatte übrigens es nicht schlecht gefunden, sondern meinte nur Du könntest es noch besser machen, schrieb Dir ja deshalb auch dass Strauss, der ja ohne mein Vorurteil für Dich ist, es gut findet.

Das Buch wird reizend. Du stehst zwischen Wittig und Wolfskehl (der die Echtheit des zappertschen Schlummerliedes verteidigt).

Dein Franz.

Februar 1928

21.2.28.

Lieber Eugen,

inzwischen bin ich endlich zum zweiten Band des Alters der Kirche gekommen, Deine Abhandlung ist wirklich was (Paquet bespricht sie in der Frankfurter Zeitung, Ernst Michel in seiner); aber auch Wittigs Aufsätze sind famos. Den Ostdeutschland = Aufsatz habe ich auch gelesen, auch dafür vielen Dank.

Wieso haben denn unsere Frankfurter Gründungen zu Schismen geführt?

Wegen der Susman hatte ich Dich missverstanden; ich hatte verstanden dass Deine Schwiegermutter sie in einem Säckinger Hotel besucht hätte; erst aus ihrem eignen Munde hörte ich dann dass sie die ganze Zeit in Basel war. Ich hatte eine Aktion für sie eingeleitet, die aber im Sand verlaufen ist. Es ist aber anscheinend in Ordnung: sie lebt in Heidelberg mit Gertrud Kantorowicz und hat nach deren Angabe ihr Auskommen.

Dein Franz.

Mai 1928

  1. 5.28.

Lieber Eugen,

ich glaube, grade an dem Tag hatte ich an Dich geschrieben. Ich bin richtig erschrocken bei der Nachricht; es versinkt mir mit ihm ein Stück Vorkrieg und Kriegsanfang. Er war doch ein sehr merkwürdiger Mann. Ich habe noch neulich jemandem erzählt, wie bei meinem einzigen Galleriebesuch in der Berliner Börse er wie eine Klippe im tobenden Meer gestanden hat.

Dein Franz.

26.5.28.

Lieber Eugen,

wenn Du nicht ausdrücklich geschrieben hättest, welchen Rat ich Trudchen gegeben haben soll, hätte ich Deinen Brief überhaupt nicht verstanden. Ich wünsche aus allen Kräften eine Heilung und Wiederherstellung. Der einzige Rat, den ich überhaupt gegeben habe, hatte diese Voraussetzung. Ich nehme nichts ernst von all dem was Louis jetzt in der Verzweiflung getan und gar gesagt hat. Das ist alles bloss die Folge des geschäftlichen Unglücks. Es gibt keine “Ehe unter freiem Himmel”. Das Haus, die verlästerten “materiellen Grundlagen” sind zwar nicht die Ehe, aber ihre notwendige Bedingung.

Ich fürchte, Dein Rat geht über Trudchens schon zermürbte Kraft. Sonst ist er gut, – trotz Deiner Begründung.

Dein Franz

Juli 1928

4.7.28.

Lieber Eugen,

zum 40. Geburtstag trotz seiner Unwahrscheinlichkeit viel Gutes! und als Geschenkersatz das beiliegende Autogramm; es ist aus einem Kalender, natürlich einem jüdischen. Dabei fällt mir ein Fall von mysteriöser Vererbung ein: Eva Sommers Kinder haben doch den Rechenfimmel (der Jüngere scheint mir übrigens die “Familie Ehrenberg” fortsetzen zu wollen); und nun hat sich der Fimmel auf den Kalender geworfen, natürlich den christlichen, und die beiden beherrschen ihn mit allen Schikanen des Kirchenjahrs! es schwirrt von Exaudi Quasimodogeniti und Trinitatis. Also: verloren geht nichts.

Dein Franz

August 1928

24.8.28.

Lieber Eugen,

Du siehst, die Frankfurter lässt Dich zwei Reden gehalten haben, offenbar eine über die geschriebene und eine über die ungeschriebene Verfassung.

Ich habe dies Jahr sogar auch eine Rede zum Verfassungstag gehalten, und zum Unterschied zu Dir mit vollbefriedigendem Erfolg, wenigstens einem vollbefriedigten Publikum. Den andern Tag kriegte ich mein schönstes Honorar dafür: das Publikum kam aus dem Kindergarten und brachte mir eine Perlenkette, sogar von selbstbezahlten Perlen, für 5 Pfennig von einem in mühsamer allfreitaglicher Aufräumearbeit erworbenen Vermögen von damals 23 Pfennigen, und sagte: weil der Papa mir die schöne Geschichte vom Verfassungstag aufgeschrieben hat. Seitdem ist das historisch = politische Interesse bei ihm gross geworden, das bisher noch rein auf dem Prinz Grünewald basierte (an den ich natürlich auch angeknüpft habe).

Aber freilich, einem es recht machen ist leichter als vielen.

Die Flüssigkeit von Samuel liegt am Buch; es ist ja richtige Geschichtsschreibung.

Dein Franz.