Gritli Letters (Gritli Briefe) 1929

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Mai 1929

11.5.29[?].

Lieber Eugen,

wenn man schon fragt –

Aber im Ernst: So apothekermässig kannst Du doch das Tränklein nicht mischen (recipe soundsoviel Gramm S P D usw.). Dabei glaube ich wohl, dass Deine Diagnose und Prognose stimmt, aber auf Grund davon in die Apotheke schicken geht nicht, es genügt aber und ist das einzig Richtige, wenn Du das Rezept unter Glas und Rahmen in Deinem Schädel an die Wand hängst; kommt dann die richtige Gelegenheit, so macht es Dich bereit, ihr zu gehorchen. Ich glaube sicher, in Deinem Professorendasein selbst kommt über kurz oder lang irgend ein Fall, der Dich zwingt, ein unmissverständliches Gesicht zu machen. Und wenn Du dann zufällig das alte Rezept an der Wand siehst, wirst Du die angenehme Endeckung machen, dass der Zwang eine Erlaubnis ist.

Gegen das Missverstandenwerden ist kein Kraut gewachsen. Es bleibt einem anständigerweise nur übrig, den Doppelgänger, der auf der Strasse rumläuft, nicht für ein Gespenst zu halten, sondern für seinen – Nächsten, Allernächsten. Also nicht ohnmächtige Erklärungen in die Zeitung zu rücken: “Für die Schulden die mein Doppelgänger macht komme ich nicht auf. F. R. oder E. R.

Idealmensch,” sondern stillschweigend blechen.

Anbei was Schönes

Dein Franz.

Oktober 1929

4.10.29.

Lieber Eugen,

vielen Dank für den schönen Aufsatz aus der Zeitwende. Ich lerne ja von niemandem so natürlich oder eigentlich so zwangsläufig, so ohne Zusatz von eigenem guten Lernwillen, wie von Dir.

Du solltest Dir aber in so kleinen Aufsätzen die Formeln ganz verbieten; sie verführen Dich zu überkurzem und undeutlichem Ausdruck. In der Vorlesung, wo man sowas an die Tafel schreibt, ist es was andres.

Dein

– Franz.