Gritli Letters (Gritli Briefe) 1916

Dezember 1916

[Eugen:]

31.12.[1916]

Lieber Adam Bann,

            Unter diesem Namen habe ich Sie der Welt in Gestalt des Herrn Eugen Diederichs vorgestellt. Als ich es gelesen, kam es mir so deutsch und christlich – christlich wegen seiner reinlichen Deutschheit (“die Toren wissen nicht einmal, wie viel wertvoller die Hälfte als das Ganze sein kann”.) – vor, dass ich es ohne nach Ihrem von mir vorausgesetzten Gegen – und Widerwillen gegen alles Wirken in die deutsche Öffentlichkeit – dass ich es nach Jena, der Hauptstadt deutschen Heiden- und Volkstums schickte, zu den Monisten und Tätern. Es war ja auch darin Betrug. Denn die reinen Täter sind eben Missetäter, und halten als Toren die eine Hälfte für das Ganze. Das Motto war Ihr, Judeae [?], Betrug, da Sie die andre Hälfte, das Geheimnis, kennen. Heraus-gekommen ist der Betrug in Jena an Ihrer Stelle über den jüdischen Religionsunterricht, (die ich um ein Haar deshalb getilgt hätte!, das Jenenser Heidentum ist umso volkstümlicher, je gottloser es ist. Den Juden also will und darf es für seine Volksschule nicht hören. Da es aber naiv auch das Reich für ein Volks = statt für das Kaiserreich hält, sich aber in Reichssachen um so heftiger geberdet, je schlechter sein Gewissen bei dieser Verdeutschung ist, so speit es den Juden auch aus der Reichsschule aus. In Salamanca Paris Bologna konnten Juden diskutieren / doch Berlin Jena und Halle / dulden das in keinem Falle / lassen sie ja kaum studieren, / da sie sich auch über Christen / kraft der Deutschheit sehr entrüsten.

            Folge: Ihre deutsche Volksschrift kam zurück. Es tritt daher ein, was Sie wollen und wünschen oder was ich Ihnen als solches glaubte: Das Judentum verhindert und sperrt Ihnen Mitatmen und Stoffwechsel mit der Welt. Nicht nur das Kreuz ist ein Ärgernis und eine Torheit, mein Freund [lieber = durchgestrichen] Ahasver, sondern auch die Beschneidung. Ihr seid ein Strunk, der weder Zweige noch Blätter und Blüten treiben kann und soll, wegen Eures Euch die fröhliche Unbefangenheit der Liebe verstockenden Eigenwillens. Ihr Habsüchtigen, die Ihr die Synagoge und die Reichsschule geniesst und geniessen wollt nebeneinander! Gegen dieses Gespenst hab ich mit törichtem Versuch gekämpft. Da wäre nichts weiter dabei. Denn ich glaube und vertraue ja auf die grenzenlose Güte und Barmherzigkeit Gottes. Aber Sie selbst haben Ihren Willen auch nicht festhalten können und sind nicht gesetzestreu geblieben, in dem Sie anhand des Briefwechsels über diese Ihre Treue Ihrer Mittler clamheimlich pseudonym Auftrag gaben, Ihr Kind, wie Moses in Ägypten, als deutschen Königssohn, d.h. mit Goetheschem Motto! auszusetzen. Eure Profitgier fängt eben neben dem jüdischen auch ein deutsches Geschäft an und lacht die Dummen aus, die etwas dabei finden wollen. Für diesmal haben Sie verspielt. Ihre Wort waren alle blind und dumm. Ihre Leidenschaft taumelt vor Liebe und Sehnsucht. Ihrem Kopfe kann ich nicht trauen. Ihr Herz wird durch den Verstand mondsüchtig gemacht. Gott helfe Ihnen!

Ihr Eugen Rosenstock